Konrad Sommer: Hauptwerke der Jahre 1942-1959
Arbeiten des Frühwerkes, das man bis 1958 ansetzen kann, werden hier in Bildanalysen vorgestellt. Sommer suchte als Künstler nach seinem Weg und war in dieser Zeit vor allem von den Neoimpressionisten beeinflußt. Ende der fünfziger Jahre kristalisiert sich sein Personalstil heraus, in dem die Landschaft auf wesentliche Eemente reduziert wird.
Johannes-Tal, (Karw), 1942
Öl auf Leinwand, 38,2 x 33,5 cm
Ausstellung: Konrad Sommer und der Falter auf der Nase, Zitadelle Spandau, Berlin 2021
Publikation: Ausstellungskatalog Konrad Sommer und der Falter auf der Nase, Berlin 2021, Abb. 4, S.5.

Den Mittelgrund beherrscht eine Wand des Karwendelgebirges mit einzelnen Zacken, die hell beleuchtete und schattige Partien strukturieren. Der Himmel zeigt sich leicht verhangen, doch zwischen den Wolken kann man rechts oben auch Himmelsblau wahrnehmen. Zwei fast gleichwinklige Berghänge rahmen den Blick auf das erleuchtete Massiv am rechten und linken Bildrand. Ein Bach fließt fast genau von der Mitte des Gemäldes zur rechten Seite im Vordergrund, doch verdecken zwei Tannen größtenteils das Gewässer. Ebenfalls genau vom Mittelpunkt des Bildes führt ein Weg mit seinen beiden Fahrspuren durch die Mitte des Vordergrundes. Am Berghang links stehen von ihrer Struktur ganz unterschiedliche Bäume, während am rechten Abhang die einzelnen Gewächse zu einer Waldfläche verschmelzen. Diese charakterisieren lediglich hellere oder dunklere grüne Striche. Auf den ersten Blick könnte kein größerer Gegensatz in der Naturdarstellung zwischen dieser frühen Arbeit und den späteren farbkräftigen Werken vorstellbar sein. Doch finden wir bereits hier eine rhythmische Strukturierung von Farbflächen, z.B. beim Waldabhang rechts oder bei der Darstellung des Grases im Vordergrund. Ganz erstaunlich ist die Wiedergabe der Bäume am linken Abhang durch sich ineinander vermischende Farbzusammenballungen: ein Element, das für Sommers späteres Arbeiten typisch sein wird. Auch die Trennung vom deutlich herausgearbeiteten Hintergrund einer Gebirgswand und einem eher summarisch gehaltenen Vordergrund fällt auf. Die nur durch leichte Abwandlungen durchbrochene, ansonsten fast symmetrisch gehaltene Komposition ist ebenfalls für Sommers spätere Werke charakteristisch. So finden sich in dieser frühen Arbeit die wesentlichen Elemente seiner malerischen Handschrift, die er im Laufe von 55 Jahren zu immer größerer Freiheit entwickeln sollte.
Blick vom Riederecksee auf Risserkogel und Plankenstein, 1948 und später
Öl auf Hartfaser 45,5 x 54,5 cm
Ausstellung: Konrad Sommer, Akkustik und Musik der Landschaft, Atelier Martin von Ostrowski, Berlin 2019
Ausstellung: Konrad Sommer und der Falter auf der Nase, Zitadelle Spandau, Berlin 2021
Ausstellung: Museum Schloss Adelsheim, Berchtesgaden 2022
Publikation: Martin von Ostrowski: Konrad Sommer, Natur und Abstraktion, Berlin 2019, Abb.43.

Auf den ersten Blick scheint dieses signierte und datierte Gemälde eindeutig 1948 entstanden zu sein, da zumindest die Signatur ohne jede Übermalung zu erkennen ist. Vergleicht man es jedoch mit allen anderen Arbeiten der vierziger Jahre, so sticht es in seiner Farbigkeit ungewöhnlich hervor. Die Arbeiten der vierziger Jahre sind zumeist noch sehr der Tradition realistischer Malerei des 19. Jahrhunderts verpflichtet, wobei nuancenreiche Abwandlungen von Farbtönen in Tupfen nebeneinander gesetzt werden. Das ist hier nicht der Fall. Sommer hat hier wohl eine Arbeit aus dem Jahr 1948 in großen Partien später farblich neu gestaltet. Die Signatur und die Jahreszahl veränderte er jedoch nicht. Wann die Überarbeitung geschah, lässt sich nur vermuten, vielleicht in den sechziger Jahren. Delikat sind vor allem die neu aufgesetzten magentafarbenen Akzente des Risserkogels und des im Hintergrund an seiner steilen Spitze zu erkennenden Plankensteins.
Geigelstein, 1951, Öl auf Karton
Öl auf Karton, 44,7 x 38,8 cm

Das Gemälde ist von Sommer selbst unten links am Rand bezeichnet worden: "Geigelstein 51.". Der Bergname steht ein zweites Mal in Öl geschrieben unten links. Sommer schuf in diesem Werk eine spätherbstliche Landschaft in einer Maltechnik, bei der Lokalfarben nuancenreich abgewandelt werden. Links im Vordergrund führt ein Weg zu einem typischen bayerischen Bauernhaus. Rechts davon erkennt man hinter zwei mit braunem Laub wiedergegebenen Bäumen zwei Schuppen. Hinter dieser in warmem Ocker und in verschiedenen Brauntönen gehaltenen Szenerie erhebt sich eine schneebedeckte Gebirgskette, aus deren Mitte als höchster Gipfel der Geigelstein herausragt. Ein mit kräftigen Wolken charakterisierter Himmel schließt das Gemälde nach oben hin ab. Das Aufeinandertreffen von warmen Farben im Vordergrund mit den kühlen Farbtönen der oberen Bildbereiche verdeutlicht wie wichtig das Spiel mit Farbkontrasten für den Künstler war. Dennoch wirkt das Gemälde auf Grund des Motives konventionell. In den teils parallel verlaufenden Pinselstrichen im Vordergrund und auch in der Darstellung des Gebirges lässt sich deutlich noch der Einfluss der Maltechnik Cézannes erkennen.
Isar, um 1954
Öl auf Karton, 43,3 x 61,2 cm
Publikation: Martin von Ostrowski: Konrad Sommer, Rhythmische Landschaften, Berlin 2020, Abb. 4, S. 5.

In zwei Biegungen windet sich die Isar durch eine mit Wald und breiten Kiesufern gekennzeichnete Landschaft. Das Wasser weist die unterschiedlichsten Blautöne, von hellem Hellblau bis Blauviolett und Magenta auf. Ganz links am Rand erheben sich zwei kahle Baumstämme fast bis an den oberen Bildrand. Einige Äste und Baumreste liegen zu ihren Füßen und bilden eine Art pittoreskes Motiv. Wie die beiden flachen Flussuferzonen sind sie weitgehend in Ocker dargestellt und weisen zudem dunkelbraune Schatten auf. Die Bäume dagegen und auch die Hügelkette im Hintergrund sind in verschiedenen Blautönen gehalten. Lediglich ein Ocker Fels ragt rechts in der oberen Bildecke aus dem Waldgebiet heraus. Auf dem Gemälde setzt Sommer wie in vielen seiner Arbeiten den Kontrast von warmen und kalten Farben ein. Insgesamt ergibt sich ein metallischer Farbklang auf Grund des Zusammentreffens von sehr hellen und dunklen Bildbereichen.
Isar mit Georgenstein, 1954
Öl auf Karton, 50,2 x 60,0 cm, Privatbesitz Berlin
Ausstellung: Konrad Sommer und der Falter auf der Nase, Zitadelle Spandau, Berlin 2021
Publikation: Martin von Ostrowski: Konrad Sommer, Rhythmische Landschaften, Berlin 2020,Abb. 13, S. 11.

Ein Werk aus dem Jahre 1954 zeigt die Isarschleife mit dem Georgenstein, ein Motiv, das Sommer immer wieder bearbeitete. Während den Vordergrund Gelbocker- und Brauntöne prägen, ist der Wald im Hintergrund in blauen und violetten Farbabstufungen dargestellt. Die Kurve der Isar in ihrem hellen Cyanblau leuchtet kräftig im Mittelbereich hervor und ist seitlich von Wald in den Mischtönen zwischen Blauviolett und Braunocker eingefangen. Ein großer Baum ganz rechts zieht sich durch die Höhe des gesamten Querformates und wirkt wie ein Gegengewicht zur Isarschleife. Die Pinselstriche erscheinen ungemein ruppig, denn sie werden nicht parallel nebeneinandergesetzt, sondern in stetiger Abwandlung ihrer Richtung. Eine eindeutige Rhythmik ist nicht festzustellen, vielmehr besitzen die Einzelbereiche ganz unterschiedliche Strukturierungen. Es gibt horizontale Strichlagen im graugelben Himmel, mehr vertikale im Vordergrund der ockerfarbenen und braunen Bäume und diagonale Strichlagen für das Wasser der Isar. Manchmal jedoch vermengen die Striche sich zu Knäueln, die ein intensives Eigenleben besitzen. So findet man in diesem Werk die widerspruchsvolle Beziehung heterogener Teile, deren Rhythmik sich aneinander reibt. Die Farbwahl vermittelt einen metallischen Klang. Deutlich sind die Einzelbereiche voneinander getrennt. Der Vordergrund, der in einer Diagonale nach rechts oben sich weitet, hebt sich ab vom Mittelgrund, der sich ebenfalls in einer Diagonalen von rechts nach links entfaltet. Der Höhenzug im Hintergrund schließlich, der rein horizontal zusammen mit dem Himmel angeordnet ist, bringt die ansonsten diagonal angelegte Komposition zur Ruhe. Die dunklen, teils metallischen Farbklänge finden sich in vielen Werken der Frühzeit und der fünfziger Jahre, um in den Folgejahrzehnten einer helleren Farbigkeit zu weichen.
Bäume an einem Bach, 1955
Öl auf Karton, 54,0 x 74,8 cm
Ausstellung: Museum Schloss Adelsheim, Berchtesgaden 2022
Publikation: Ausstellungskatalog Museum Schloss Adelsheim, Berchtesgaden 2022, Abb. 4, Text S. 6.

Das Gemälde zeigt eine typische oberbayerische Mooslandschaft mit Bachlauf und der umgebenden Vegetation. Das zentrale Motiv ist eine Reihe von hintereinander gestaffelten Bäumen an einer Bachbiegung. Die Baumreihe beginnt mit einem pittoresken Baumstumpf ganz rechts im Vordergrund und führt über einen weitgehend kahlen Baum, der fast die gesamte Bildhöhe einnimmt, zu sechs dicht hintereinanderstehenden schlanken Laubbäumen im Mittelgrund. Grüne und orange-rötliche Flecken deuten eine Bewaldung an. Dahinter erkennt man flachere Bergkuppen der Alpen, die in dunkelblauen und violetten Farbtönen gehalten sind. Der Himmel ist sehr frei mit ein paar Wolkenfetzen in lichtem Hellblau wiedergegeben. In der Zeit bis 1958 wirken besonders die Vorbilder der Neoimpressionisten, vor allem Cézannes und van Goghs auf Sommer ein. Er variiert und moduliert seine Pinselstriche so, dass sie sich deutlich voneinander abzeichnen und rhythmische Strukturen bilden.
Mooslandschaft im Winter, 1955
Öl auf Karton, 52,2 x 73,9 cm
Sammlung Marianne und Michael Gorkow

Eine mit Schnee bedeckte flache Landschaft mit einem kleinen Wassergraben und etwas Bewuchs breitet sich unter einem weitgehend mit Wolken bedeckten Himmel vor dem Betrachter aus. Die Horizontlinie liegt fast im goldenen Schnitt der Höhe des Bildes. Auch die herausgehobenen Teile der Vegetation, ein dunkelbrauner, breit gelagerter Baum oder ein Gebüsch, bzw. davor hohe Gräser in Ocker und braunen Farbtönen, befinden sich ebenfalls im goldenen Schnitt der Breite des Bildes. Damit folgt Sommer dem Aufbau der klassischen Landschaftsmalerei, das die wichtigen Elemente der Komposition in den goldenen Schnitt der Bildmaße setzte. Es fällt auf, dass auf diesem frühen Gemälde noch ein Gebäude auf der linken Bildhälfte nahe am Horizont zu sehen ist. Zusammen mit den anderen wenigen angedeuteten Details, wie den Ackerfurchen darunter oder den Bäumen nahe der Horizontlinie, setzen sie feine und bedeutsame Akzente innerhalb der von unterschiedlichen Weißtönen geprägten Winterlandschaft.
An der Isar, 1958
Öl auf Karton, 48,5 x 74,6 cm
Ausstellung: Konrad Sommer und der Falter auf der Nase, Zitadelle Spandau, Berlin 2021
Publikation: Martin von Ostrowski: Konrad Sommer, Natur und Abstraktion, Berlin 2019, Abb.13, Text S. 18 u.20.

Auf dem Gemälde sieht man eine Biegung der Isar mit Bäumen, bzw. Wald zu beiden Uferseiten. Statt einer streng durchgehaltenen, konstruktiven Bildordnung findet man Bereiche von Auflösung, in denen sich eine freiere Malerei entfaltet. Ein für die Folgezeit wichtiges Element ist die betonte Konturierung oder Abgrenzung der Gegenstände voneinander, hier sichtbar am einzeln dargestellten Baum links oder bei dem als Baummasse wahrnehmbaren Wald hinter dem Fluss und ebenfalls bei der Wiedergabe der Flussufer. Dieses Gemälde zeigt in seiner rhythmischen Gliederung noch eine gewisse Abhängigkeit von Cézanne, doch gelangt Sommer im gleichen Jahr zu einer größeren Vereinheitlichung der Farbflächen, so dass diese Beeinflussung von nun an keine so große Rolle mehr spielte.
Ammergauer Alpen mit Notkarspitze, um 1958
Öl auf Karton, 36,8 x 49,5 cm

Zwei Motive konkurrieren auf dem Gemälde um die Aufmerksamkeit des Betrachters. Einmal die rotorange gemalte Tanne, die einzeln auf einer schneebedeckten Anhöbe vor einem dunklen Gebirgswand steht, sowie die mit Schnee eingehüllte Notkarspitze auf der linken Bildseite. Sie ragt als höchste Erhebung in den graublauen Himmel hinein und fällt allein durch ihre pyramidale Form auffällt. Mit diesem Berg der Ammergauer Alpen beschäftigte sich Sommer immer wieder in seinen Werken. In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre wandte sich der Künstler von einer realistischen Malweise ab und reduzierte seine Motive mehr und mehr auf einfache Grundstrukturen. Der Gegenstand bleibt dabei im Gesamtzusammenhang des Gemäldes sehr wohl erkennbar, doch sind die Einzelelemente, wie Bäume, Wiesen, Berge als malerisch gestaltete Flächen weitgehend abstrakt. Das Gemälde ist dafür ein sehr schönes Beispiel. Sommer setzte von nun an die Farbe vollkommen subjektiv ein, und verband sie nicht mehr mit einer natürlichen Farbgebung.
Jungfrau von Wengen aus, 1958
Öl auf Karton, 40,6 x 60,5 cm
Ausstellung: Konrad Sommer, Akkustik und Musik der Landschaft, Atelier Martin von Ostrowski, Berlin 2019
Publikation: Martin von Ostrowski: Konrad Sommer, Natur und Abstraktion, Berlin 2019, Abb.14, Text S. 20.

Vor einem in kräftigem Blau gemalten Himmel erhebt sich das vereiste Bergmassiv der Jungfrau mit umliegenden Schnee- und Gletschermassen. Kompositorisch liegt das Weiß der Eismassen in der oberen Hälfte des Gemäldes, während die untere Hälfte weitgehend von einem intensiven Rot und verschiedenen Grüntönen geprägt wird. Vor der Kulisse der roten Bergwand stehen entlang einer nach rechts abfallenden Bergwiese mehrere Bäume. Sie sind mit nur wenigen Strichen angedeutet dargestellt und unterbrechen die weitgehend symmetrisch angelegte Komposition, die sich auf wenige Farben beschränkt: Blau, Weiß, Rot und Grün bis Grüngelb. Für Sommer stellt diese Beschränkung seiner Palette ein neues Element dar. Zwischenstufen, Abtönungen spielen keine wichtige Rolle mehr, sondern die Farben sind auf ihre Grundtöne reduziert. Die Stilisierung und Vereinfachung der Formen führt trotz des relativ kleinen Formates zu einer erstaunlichen Monumentalisierung. Diesen hohen Abstraktionsgrad der Landschaft entwickelte der Künstler von nun an konsequent weiter und entfaltete damit seinen ihm ganz eigenen Personalstil.